Zwei kräftige Metzgerhände packen den sechsjährigen Jungen und hängen ihn, als sei es ein Spaß, an einen schwarzen Räucherspieß in den Fleischhimmel von Wurst und Schinken. Da hängt er nun. Endlich. Stolz. König über drei Königreiche: das Elternhaus, die elterliche Metzgerei und über ein Reich, das größer ist als die ganze Welt, die er neugierig erkundet: die Welt seiner Phantasie.
Je länger er hängt, desto stärker wächst die Angst vor dem Absturz. Wird er bestraft? Aber wofür? Und warum lauern da unter seinen Füßen in einem siedend heißen Brühkessel abgeschnittene Schweinsköpfe, die grunzend und quiekend darauf warten, ihn zu fressen? Allein und verlassen baumelt das Kind im wurst- und schinkenschattenzittrigen Himmelreich der Fleischerei – voller Ängste und voller Sehnsuchtsphantasien.
Umrankt wird diese Geschichte von einer assoziativen, mit fast halluzinogenen Überlagerungen und mit harten Schnitten und Zeitsprüngen zwischen damals, heute und der Zeit dazwischen arbeitenden Wortbegehung.
Die Familie droht zu zerreißen, flieht aus der DDR und macht sich mit großer Hoffnung im Herzen und noch größeren Fragezeichen auf den Schultern auf den Weg in den Westen, kämpft sich durch das Ungeheuer der U-Bahn, im Flieger durch einen Gewitterhimmel, durch das Aufnahmelager, durch fremde Dialekte und abweisende Städte hinein in den Wohlstand und die Verlogenheit der 60er Jahre mit lazy sunday afternoons und aufregenden Vormittagen.
Im Grenzbereich zwischen Autobiographie und Schelmenroman erzählt dieser Text aus der Perspektive eines Kindes und Jugendlichen von den kleinen und großen Wirrungen einer Kindheit in den 50er und 60er Jahren – von Kaltem Krieg, Kommunismus und Kapitalismus, vom Wiederaufbau und der 68er-Bewegung, von Armut und Axt, von Diebstahl und Domsingschule, von Gabis Busen, Renates Mund und Monikas Silberblick, von Verzweiflung und missbrauchtem Vertrauen, von prallroten Kirschen und einem Molch, der fliegen kann, und von einer unglaublichen, aber wahren Theaterkatastrophe.
Der Text ist hart, zart, spannend, voller Poesie und – voller Komik. Ein Geschenk an dreißig Jahre Deutsche Einheit. Eine Erinnerung an sechzig Jahre Mauerbau. Und ein Versuch der Wiedergutmachung an den Tieren, die der Autor geschlachtet hat. Möge ihr Leid, so der Wunsch des Verfassers, unseren Blick auf das Leben lenken.